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Republik China und nicht Volksrepublik China: Ab nach Taiwan


Taiwan stand bei uns als nächste Station auf der Reiseroute - und auch wenn es fad wird, weil ich das sehr oft schreibe, wir hatten da keine wirkliche Vorstellung und der Wunsch des Besuchs war eher von der aktuell instabilen politischen Situation geprägt. Wir hatten nämlich streng genommen zwei Bilder zu Taiwan im Kopf: Einerseits die technologische Ausnahmestellung mit der Halbleiter-Produktion für unsere Handys. Und andererseits die Bestrebungen Chinas, dieses kleine Land wieder ins große Reich China zurückzuholen - Stichwort Chinas “One China Policy”.

 

Bei einer (für uns inzwischen obligatorischen) Stadttour in Taipei wurde diese Problematik resp. Gefahr ganz offen angesprochen - wenn auch das Problem vielschichtiger ist, als man es in Europa wahrnimmt.

Ich versuche da im bekannten Stil die Thematik möglichst einfach zu beschreiben ohne Wesentliches wegzulassen: Von den Portugiesen zu Beginn des 16.Jhdts entdeckt, wechselte die Herrschaft zwischen den europäischen Kolonialmächten Portugal, Spanien und den Niederlanden, bis Taiwan schließlich ins chinesische Reich der Ming und danach der Qing-Dynastie fiel. Im ersten chinesisch-japanischen Krieg 1894/95 fiel Taiwan an Japan und blieb bis zum Ende des zweiten Weltkriegs eine japanische Kolonie. In dieser Zeit gab es einen Bürgerkrieg in China zwischen den Kuomintang (genannt die “nationale Volkspartei Chinas” - mit dem Führer Chiang Kai-shek) und den Kommunisten (mit dem Führer Mao Zedong), wobei die Kuomintang Taiwan nach der Weltkriegs-Niederlage Japans besetzten und die Republik China (aus unserer Sicht das heutige Taiwan) ausriefen - im Unterschied zur (kommunistischen) Volksrepublik China (eben China in unserem Verständnis). Und das war der Grundstein für die “Sonderstellung” der “Republik China (Taiwan)” (so heißt Taiwan heute offiziell), denn chinesisch war diese Region zuletzt im 19.Jhdt in der Qing-Dynastie (sofern man das als “chinesisch” sieht). Geprägt wurde es sehr von den Japanern, aber natürlich auch von Chiang Kai-shek, welcher wiederum im weiteren Leben eher in Richtung einer Wieder-Vereinigung mit China schielte. Also ist es nicht ganz so einfach zu sagen, ob Taiwan aus der Geschichte heraus chinesisch ist oder nicht - ja, schon, aber gleichzeitig auch wieder nicht. Vielleicht sollte man da mehr auf die Menschen vor Ort hören, aber was interessiert das schon die großen Führer.

China verfolgt eine “Ein-China-Politik”, wonach Taiwan zu China gehört. Taiwan hingegen verfolgt generell eher die Unabhängigkeit, wobei das politisch auch nicht ganz einfach ist, da sich zwei ähnlich starke Flügel gegenüberstehen: Die “Grünen” möchten die Unabhängigkeit beibehalten, die “Blauen” eine Annäherung an China unter bestimmten Voraussetzungen.
Und Taiwan ist als eigenständiger Staat international nicht wirklich anerkannt: Gerade einmal elf Staaten pflegen offiziell diplomatische Beziehungen (und das sind Länder wie Haiti, Guatemala oder St.Kitts und Nevis) und nur mit wenigen Staaten (grob gesagt Zentralamerika, Singapur und Neuseeland) gibt es Handelsabkommen.

Und es ist tatsächlich schwierig, denn Taiwaner sehen sich der chinesischen Kultur zugehörig, die Schrift ist chinesisch und rein historisch und geographisch gibt es natürlich die Nähe, aber Taiwan möchte die aktuellen Freiheiten behalten. Das war für mich der große Überraschungseffekt, denn es ist nicht so, dass Taiwanesen sich generell als Taiwanesen sehen: Sie sehen sich als chinesische Taiwanesen - sieh sehen sich zwar als Taiwanesen, aber schon auch als Chinesen - das ist nichts was sie generell ablehnen. Aber sie lehnen halt China in der Form ab, in der China heute auftritt. “Meinungsfreiheit” ist das, was wir immer hören.
50% der Halbleiterproduktion weltweit (!) kommt aus Taiwan, es gibt einen gewissen Wohlstand (das BIP pro Kopf ist recht hoch, man liegt etwa auf einem Niveau von Slowenien oder Tschechien) und im Demokratieindex liegt Taiwan vor Österreich. Kurz und gut: Das ist alles sehr kompliziert.

Soviel zur Geschichte und weil die aktuelle politische Situation einige Erklärungen erfordert, aber unsere erste Station die Hauptstadt Taipei (resp. Taipeh) mit ihren zweieinhalb Millionen Einwohnern.

 

Taipei (bzw. Taipeh) ist eine sehr spannende Mischung aus traditionellem Taiwan und einer modernen Stadt. Wir haben in der Altstadt gewohnt und da ist es sehr beengt, viele Straßenküchen und Tempel dominieren das Straßenbild.

Im Gegensatz dazu ist “Downtown” modern und vor allem das lokale Wahrzeichen, der Wolkenkratzer “Taipei 101” überragt mit seinen 508m alles. Bei seiner Fertigstellung im Jahr 2004 war es das höchste Gebäude der Welt - bis ins Jahr 2009, als er vom Burj Khalifa abgelöst wurde. Man kann die Aussichtsplattformen auf den Ebenen 89 (rein innen) und 91 (Freiluft) besuchen und bekommt einen fantastischen Blick auf diese Stadt.

Zugegeben, wir waren überwältig von dieser bunten, lauten und verwirrenden Mischung aus alt und neu, aus ultramodern und traditionell. Straßenküchen und glitzernder Kitsch - es traf wohl das, wie ich mir Japan vorgestellt habe. Hier “Hello Kitty”, daneben eine bunte Katze, Zeichentrick-Figuren und junge Mädchen in Schuluniformen mit Katzenohr-Haarreifen. Ich kann es nicht anders sagen: Wir waren komplett mit Reizen überflutet in dieser so anderen Welt.

Ich hätte erwartet, dass Taiwan nicht zu kompliziert zu bereisen ist, noch dazu in der Hauptstadt, aber ich gebe zu: Das ist verdammt fordernd! Das Hauptthema ist natürlich, dass man nichts lesen kann. Alles in chinesischen Schriftzeichen und Übersetzungen sind eher die Ausnahme - wobei es natürlich darauf ankommt, wo man gerade ist: Am Flughafen oder im Zug ist alles natürlich nicht so ein Problem, aber die meisten Lokale oder Geschäfte schreiben nur mehr chinesisch und auch die Kommunikation funktioniert oft nur über Google-Übersetzungen. Und gerade für uns, die wir gerne in die Lokale gehen, wo wir viele Einheimische sehen, da kann es ganz schwierig werden. Dort gibt es entweder eine englische Karte (selten), Bilder neben den chinesischen Namen (manchmal), elektronische Karten über QR-Code, wo man es mit Google direkt übersetzen lassen kann (ebenso manchmal) oder eben die chinesische Karte (ehrlich gesagt: der Regelfall bei Straßenküchen). Dann steht man da wie ein absoluter Dolm, das Handy vor sich und lässt Google Lens die Schriftzeichen live übersetzen. Und natürlich oft sehr kreativ, chinesisch lässt sich ja nicht so einfach 1:1 übersetzen - aber man weiß grob, was man bekommt. Kann man ja gerne probieren bei den Bildern - das stellt man sich einfacher vor, aber zum Glück gibt es meistens so “Bestell-Blätter”, die man ausfüllt und da hat man Zeit sich das Gericht herauszusuchen, das noch am vernünftigsten klingt.

Wir waren beeindruckt, wie viele Straßenküchen oder einfache Restaurants irgendwelche Michelin-Zeichen hängen hatten - Taiwan ist schon ein kulinarisches Wunderland. Vieles war extrem schmackhaft, bei manchem schlägt einem einfach unsere europäische Prägung ein Schnippchen - ehrlich, ein Schweins-Würstel, das Geschmacksnoten von Zimt hat und eher süßlich schmeckt, das ist für meinen Gaumen schon recht ungewöhnlich. Oder sie lieben auch Schweinsbauch, aber gegart, sodass die Schwarte eher Richtung Gelee geht als so wie bei uns knusprig - jeder wie er mag, aber alles sehr ungewohnt. Generell ist das Essen meistens sehr süß, Zimt wird bei Fleisch sehr oft verwendet und es ist insgesamt nicht so scharf wie man es sich erwarten würde. Ehrlich gesagt hat mich die Küche in Summe nicht so ganz abgeholt (Steffi hingegen ist bebeistert und lässt kaum eine Gelegenheit aus, sich an Straßenständen oder Night Markets den Bauch voll zu schlagen), die Suppen sind fantastisch, die Dumplings grandios, aber beim Fleisch war ich fast durchgehende komplett irritiert von den Gewürzen.

Irgendwann haben wir uns zurecht gefunden - und wir haben es sogar geschafft mit lokalen Bussen selbständig zu fahren. Also gut, Google hat geholfen, aber wir haben es halt ausprobiert, das gemacht was die anderen gemacht haben und es war erfolgreich.

Damit hatten wir die ersten Eindrücke in Taiwan gesammelt und unsere Neugier war erst einmal entfacht. Wir waren ja wegen des Wetters unsicher, denn eigentlich ist die Taifun-Zeit und unsere Guides haben wirklich sowas wie “Alles gut, in dieser Woche ist kein Taifun vorhergesagt!” von sich gegeben. Das Wetter war sogar recht stabil, immer wieder mal ein heftiges Gewitter, aber in Summe nichts Tragisches - außer dass es unfassbar heiß war, untertags meist bis zu 38°.

Aber so war uns klar, dass wir mehr sehen wollten von Taiwan. Im Nordosten der Insel gibt es einige Sehenswürdigkeiten und da es kleine Orte sind, die nicht ganz so einfach mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind, wollten wir ein Auto ausborgen. Und da sind wir leider gescheitert, denn man glaubt es nicht, aber es ist leider so: Österreich ist tatsächlich das einzige europäische Land neben dem Vatikan, das kein Abkommen mit Taiwan hat und der österreichische Führerschein wird schlicht nicht anerkannt. Damit keine Chance auch nur einen Motorroller auszuleihen und wir mussten Plan B wählen: Eine organisierte Tour.

Und ich bin im nachhinein wirklich dankbar für diese Erfahrung, denn wir waren Teil einer chinesischen Gruppe - also lauter Chinesen und halt wir zwei. So nach dem Muster “Führer läuft vorne mit einem Steckerl samt Fahne und alle trotten hinterher”. Wir verabscheuen sowas, aber irgendwie war es lustig - und wir hatten keine Alternative. Beinhart, aber top organisiert, wenn du nicht pünktlich zumindest drei Minuten vor der vereinbarten Zeit beim Bus bist, wirst du schon scharf angeschaut. Und Chinesen ticken da wirklich ganz anders, alles was bei uns eine gewisse Lockerheit oder ein “des moch ma scho” ist, ist dort detailliert durchgeplant. Man bekommt gesagt, was spannend ist, wo man die Standardfotos machen muss, in welcher Abfolge man was anschauen soll. Und ehrlich: Ich fand da nicht alles schlecht, denn es ist klar und man bekommt alle nötigen Infos.

Zuerst der Geopark Yehliu, wo Erosionen zu teils ausgefallenen Gesteinsformationen geführt haben. Ich erzähle da nicht mehr, denn das kann man sich anschauen, wenn man schon mal dort ist, aber wäre mir jetzt keinen Extra-Aufwand wert. Ist halt lustig, wenn man nur kreativ genug ist, dann schaut jeder Stein wie irgendwas aus, aber war Teil der Tour und hat schon gepasst. Übrigens gibt es von den wichtigsten Gesteinsbildern auch Nachahmungen - damit man sich nicht so lange anstellen muss, wenn man ein Foto haben will. Und glaubt mir, Chinesen WOLLEN ein Foto haben mit den wichtigsten Attraktionen.

Weiter ging es nach Shifen, wobei dieses Dörfchen für zwei Dinge bekannt ist: Erstens für den Zug, der mitten durch diesen Ort, knapp vorbei an den ganzen Geschäften, fährt. Und zweitens für Wunschlaternen - bunte Papierlaternen, auf die man seine Wünsche schreiben und sie dann in den Himmel steigen lassen kann.

 

Und auch hier Schmunzeln über eine für uns so fremde Kultur: Einerseits kann an unterschiedliche Varianten wählen, ein Wunsch ist billiger als vier, welche billiger sind als die Luxusvariante mit acht Wünschen - praktisch Wunschkapitalismus. Und andererseits sind Asiaten sehr viel direkter als wir Mitteleuropäer: Wir schreiben ja sowas wie “Gesundheit für meine Familie” und “wenn möglich ein gutes Einkommen”, aber dort gab es rund um uns den klaren lesbaren Wunsch: Reichtum. I wanna be rich. Herrlich.
(Das ist übrigens für mich wirklich ein “Was ist da los?”-Effekt, man sieht Menschen, die für mich Mitteleuropäer alle wie Chinesen ausschauen und sie sprechen Englisch miteinander. Ich gebe es offen zu: Ich kann asiatische Menschen nicht auseinander halten. Und auch da bin ich wieder dankbar für die Möglichkeit zu reisen, denn dort wo ich schon war, ist es leichter. Also Thai von Vietnamesen zu unterscheiden, das klappt. Aber ich gebe es offen zu: Malaien von Chinesen und Japanern zu unterscheiden - shame on me, ich kann es nicht. Und ich habe gelesen, dass das nur auf Erfahrung zurückzuführen ist, weil wir halt nicht oft mit diesen Unterschieden konfrontiert sind. Was mich dann ja fast noch mehr fasziniert: Kann ein Asiate mich dann wirklich nicht von einem Portugiesen und einem Finnen auseinanderhalten? Also die umgekehrte Frage. Wir schauen doch komplett anders aus - aber natürlich, Gewohnheit…. Und da liebe ich wieder das Reisen, denn außerhalb Europas wird mit diesem Thema viel lockerer umgegangen. “Woher kommst du?” ist auch hier viel herzlicher und ehrlicher als man es in Europa oft versteht. Und ich mag das - die Offenheit, das Interesse - so ohne irgendeine Wertung.)

Übrigens gibt es dort auch einen kleinen Wasserfall, der “die kleinen Niagara-Fälle von Taiwan” genannt werden - ehrlich, manchmal übertreiben sie es aber schon ein wenig…

Die letzte Station war Jiufen - das war alles generalstabsmäßig organisiert. Das hat uns - wieder einmal - an Hallstatt erinnert, denn es ist ein kleiner Ort in den Bergen, man muss unzählige Stufen steigen und im Ort gibt es eigentlich nur Geschäfte für den Tourismus, aber auch da will ich nicht unfair sein: Das ist schon wirklich ein malerischer Ort. Wirklich bekannt ist der Ort übrigens, weil hier ein erfolgreicher taiwanesischer Film (“Die Stadt der Traurigkeit”) spielte. Und es war früher ein Goldgräberdorf - aber bleiben wir beim Heute: Das ist praktisch ein taiwanesisches Freilichtmuseum.

 

Hier der Tag im Steffi-Zeitraffer - morgens-mittags-abends.

Und mit diesen Eindrücken haben wir uns aus Taipei verabschiedet und unmittelbar im Anschluss an diese Tour haben den Highspeed Train nach Taichung genommen - unsere Planung hat anders ausgesehen und wir hatten kein Quartier mehr in Taipeh. Mehr dazu aber im nächsten Blogbeitrag - die ersten Tage in Taiwan waren aber schon einmal sensationell.

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