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Dort hin, wo keine Touristen sind - Timor-Leste


Von Malakka aus ging es mit einem Nachtbus direkt zum Flughafen Kuala Lumpur – ja, auch diese Verbindung gibt es – denn unser Flug nach Dili in Osttimor ging um 2:15 in der Nacht.

Osttimor, das entstand ein wenig aus einem Bier-Abend ein paar Wochen vorher. Wir wollten ja ursprünglich nach Papua-Neuguinea, aber ließen das dann aufgrund der Kosten resp. Sicherheitslage aus. Und dann sehen wir auf der Karte Osttimor, das ebenso wie Papua den östlichen Teil einer (im Westen indonesischen) Insel belegt. Natürlich wussten wir wenig bis absolut nichts über Osttimor, aber der wichtigste erste Schritt: Osttimor ist vergleichsweise sicher zu bereisen und es gibt Flüge hin. Und wir entdeckten das Faktum, dass Osttimor zu den drei am wenigsten bereisten Ländern der Welt zählt. Da war klar: Da müssen wir hin, wenn wir schon mal die Gelegenheit dazu haben.

 

Und damit wieder ein wenig über die Geschichte von Timor-Leste, wie es offiziell heißt. Es ist eines der jüngsten Länder der Welt und erst seit 2002 ein anerkanntes, eigenständiges Land. Es liegt auf der indonesischen Inselgruppe, hatte aber schon seit der Kolonialzeit die Besonderheit, dass es nicht holländisch, sondern portugiesisch war. Daher auch das portugiesische „Leste“, was Osten bedeutet. Die Portugiesen zogen sich 1975 aus Osttimor zurück und das Land sollte unabhängig werden. Dies nutzte aber Indonesien für eine gewaltsame Besetzung und es tobte ein blutiger (Bürger)Krieg bis in die 1990er Jahre. Allein zwischen 1977 und 1979 starb ein Drittel der Timorensischen Bevölkerung an Hunger und Epidemien. Indonesien wurde von der UNO auch verurteilt für die unrechtmäßige Besetzung – aber erst gegen Ende des letzten Jahrtausends stabilisierten sich die Verhältnisse (auch durch den Einsatz von Friedenstruppen der UNO) und Osttimor wurde tatsächlich ein eigener Staat.

Dieser geschichtliche Ablauf erklärt aber viele Probleme von heute. Dass Indonesien Ansprüche auf den Ostteil Timors erhob, kann man zwar geographisch verstehen (Timor ist eine Insel der indonesischen Inselgruppe – nödlich, östlich und westlich sind indonesische Inseln), aber eben nicht aufgrund der Historie. Die Timoresen sind – aufgrund der portugiesischen Vergangenheit wenig überraschend – Christen und sprechen eine eigene Sprache: Tetum. Das ist ein wildes Gemisch aus Indonesisch (das ja wiederum viele Lehnwörter aus dem Holländischen hat) und Portugiesisch, was wir ganz amüsant fanden, weil wir immer wieder etwas verstanden haben, aber es natürlich nicht sprechen können. „Danke“ ist zum Beispiel „Obrigadu“ in Abwandlung des portugiesischen „Obrigado/-a“, eskola heißt Schule, serveja ist Bier, und noch einige mehr. Wir hatten ja gedacht, dass wir mit Steffis portugiesisch-Kenntnissen gut durchkommen, aber auch wenn es die offizielle Landessprache ist, wird es aufgrund des geringen Bildungsniveaus oft genauso wenig gesprochen wie Englisch. Es war also oft Hand-und-Fuß-Verständigung angesagt.

Es ist ein armes Land, das viele Herausforderungen hat, aber der Nationalstolz war oft zu spüren. Die Erklärung war immer: „Wir sind ein junges Land, aber wir sind unabhängig!“

Wir wollten die ersten Tage auf Ataúro verbringen, das ist eine kleine Insel vor der Hauptstadt Dili, wobei der Reiz in den wunderschönen Riffen rund um die Insel liegt, welche von Steffi tauch-technisch auch in mehreren Tauchgängen erkundet wurden.

 

Und da haben wir gleich mal gespürt, was das Bereisen von untouristischen Reisezielen so schwierig macht: Es greift einfach nix ineinander und der einfachste Weg kann zu einer riesigen Hürde werden.

Denn es gibt drei Wege auf die Insel zu kommen: Fähre, Propeller-Flugzeug oder privates Speedboot. Naiv wie wir sind: Fähre! Wir landen um 07:30 morgens, da werden wir schon mit irgendeiner Fähre untertags auf die Insel kommen (die Überfahrt dauert keine 2h). Nix da, denn es gibt täglich nur eine Fähre. Aber nicht montags, denn da gibt es gar keine Fähre. Einfach mal raten an welchem Wochentag wir ankamen – natürlich an einem Montag, was aber auch damit zusammenhängt, dass der Flieger von Kuala Lumpur auch nur zweimal in der Woche fliegt. Und einer der beiden Tage ist der Montag.

Also Plan B: Eine kleine Propeller-Maschine. Leider auch hier ein Nein, denn diese Maschine fliegt täglich um 07:30 – wo wir aber gerade erst landeten. Warum diese beiden Flieger nicht aufeinander abgestimmt werden können – es bleibt ein Mysterium. Speedboot fiel auch aus, da das Meer an diesem Tag zu unruhig war und die Boote eher Nussschalen sind. Als wir uns auf eine zusätzliche Nacht in Dili eingestellt hatten, bekamen wir eine Nachricht unseres Quartiergebers auf Ataúro: Es gibt noch einen zusätzlichen Flieger, der gechartert wurde und wir können da mit – aber erst am Nachmittag. Wir erkunden also mal Dili, als uns wieder eine Nachricht erreicht: Flieger geht jetzt doch schon am Vormittag. Also wir zum Flughafen, aber niemand da. Über unseren Gastgeber auf der Insel haben wir dann doch jemanden zwecks Auskunft gefunden: Der Flug geht nun doch wieder am Nachmittag, denn es gab einen medizinischen Notfall und dieser Flieger stellt auch die (gesundheitliche) Lebensader für die Inselbevölkerung dar. Eine weitere Eigenheit, die für Nicht-Europäer ja nicht so selbstverständlich ist: Die medizinische Versorgung im Land ist für Einheimische kostenlos. Und der Transport von der Insel erfolgt - wenn medizinisch notwendig - mit dieser kleinen Maschine.

Aber gut, irgendwann kamen wir in der kleinen Propellermaschine in einem Stück auf Ataúro an, wo - Unterkunft sei Dank - auch (wer weiß wie lange schon) unser „Taxi“ (eine Mischung aus Motorrad und Pickup-Ladefläche) auf uns gewartet hat. Auf der Ladefläche Platz genommen und einige Minuten auf einer eigenwilligen Staubstraße entlang gerumpelt später, wurden wir auch schon vom Hausherren empfangen: Einem tiefenentspannten Australier, der vor Jahrzehnten hier seine Liebe und seinen Lebensmittelpunkt gefunden und mit seiner Frau ein Eco Resort eröffnet hat. Allein um diese Unterkunft zu erleben, hat sich die Reise auf Ataúro schon ausgezahlt.
Wir haben gelernt, dass “Eco Resort” für recht spartanische Hütten (viel mehr als ein gemütliches Bett samt Moskitonetz und einen Kühlschrank gab es da nicht - dafür direkt am Strand mit grandioser Aussicht) und raffinierte gemeinschaftliche Sanitäranlagen steht. Nämlich Plumpsklos, über die man dank ausgeklügeltem Belüftungsdesign nicht die Nase rümpfen brauchte und Duschen die, naja… eigentlich nur ein alter, an der Decke befestigter Topf waren, an dessen Unterseite feinen Löcher gebohrt wurden. Wenn in diesen Topf aus der daneben platzierten, unbeheizten Wasserquelle per Hand Wasser geschöpft wurde, verwandelte sich der Topf in einen hervorragenden Duschkopf der so manche moderne Regendusche alt aussehen ließ.
Die Verpflegung ließ uns auch schmunzeln, denn man musste Vollpension dazubuchen - was auch Sinn machte, da es auf Ataúro keine Restaurants gibt. Und auch die Essenszeiten waren fix (7:00 - 12:00 - 19:00) - wer zu spät kommt, für den war weniger da. Schon Tante Jolesch wusste, wie man Gerichte kredenzt, von denen kein Gast genug bekommen konnte - es muss nur knapp sein, dann schmeckt es umso besser. Aber es war wirklich fantastisch, natürlich sehr viel Gemüse, dazu entweder Fisch oder Hähnchen - das hat super gepasst und man muss halt einfach die Umstände sehen. Dafür war es 1A und absolut zu empfehlen, genial was Barry, der Australier, da aufgezogen hat.

Und dort ist es so, wie wenn man bei irgendwelchen hippen Tourismuszielen fragt „Wie war es da wohl vor dem Tourismus?“. Toll, weil wirklich unberührt und „echt“, aber gleichzeitig mühsam, denn man braucht immer jemanden, der Tipps gibt und die lokalen Gegebenheiten kennt. Einfach googlen? Kann man vergessen, es gibt kein (bzw. nur langsames) Internet. Und selbst wenn’s eins gibt: Die Infos existieren online schlicht nicht. Aber irgendwie, aus unbekannten Gründen, fügt sich Eins ins Andere und alles klappt dann doch am Ende.

Auf der Insel ist man eingeschränkt, denn weder Roller noch Fahrräder gibt es auszuborgen. Aber es gibt sowas wie ein “Taxi-System” und die Fischer helfen mit Booten. Als Steffi beim Tauchen war, bin ich mit einem Fischer raus zu einem Riff um zu schnorcheln. Wirklich toll, alles lebendig und wunderschön, aber als ich genug hatte, war mein Fischer plötzlich weg - er holte gerade andere Schnorchler ab. Kurz und gut: Das Meer und ich - kein Boot. Aber es war nicht zu weit draußen, das Meer war an diesem Tag sehr ruhig und ich bin einfach Richtung Land geschwommen, wobei mich auf halbem Weg ein anderer Fischer ins Boot geholt hat. Improvisation wohin man schaut.

Gewisse Herausforderungen zeigten sich auch bei der Abreise wieder, denn wir wollten eigentlich am Donnerstag wieder zurück aufs Festland – erfuhren aber, dass die Donnerstags-Fähre defekt ist und es jetzt auch am Donnerstag keine Fähre gibt. Die Mittwoch-Nachmittags-Fähre haben wir aber noch erreicht und so war alles ok, obwohl diese aus unbekannten aber regelmäßig auftretenden Gründen früher als geplant losstartete – Abfahrtszeiten werden hier… flexibel gehalten.

Das gab uns die Möglichkeit Osttimor (also das “Mainland”) mit einem Roller am nächsten Tag zu erkunden. Die Küstenlinie ist wunderschön und hat viel Potenzial. Dahinter gibt es aber auf den, sich gerade im Bau befindenden Straßen, wenig bis nichts zu sehen. Man kann das Land sicher noch gut erforschen, aber es ist alles sehr zeitraubend, weil halt nicht auf Touristen ausgerichtet.

Auch die Verkehrsbedingungen auf Ost-Timor ist eine Reise in das Land wert: Verkehrsregeln (so sie existieren) werden derart missachtet, dass man an der Existenz einer Führerscheinprüfung in dem Land zu zweifeln beginnt. An manchen Stellen kamen uns 4 Mopeds nebeneinander gleichzeitig entgegen: der Gegenverkehr, der von hinten überholt wurde, während der „von hinten Überholende“ wiederum von seinem Dahinter überholt wurde, welcher… wer errät’s? Wiederum überholt wurde – da hilft nur ein Ausweichen mit dem Moped an den Straßenrand. Die meisten Straßenverhältnisse lassen aber kaum Spitzengeschwindigkeiten zu, sodass derartige Manöver zwar ganz sonderbar, aber nicht lebensgefährlich auf einen wirken.

Unsere gute Tat bei der Inselerkundung: Wir haben dem Betreiber einer kleinen Strandbar den Google-Maps-Eintrag erstellt. Er hat uns so herzlich gefragt, ob er uns fotografieren darf, so als Beleg, dass Ausländer zu ihm kommen und so kamen wir ins Plaudern – er sprach auch recht gut Englisch.

In Summe war es ein tolles Abenteuer, einmal ein Land zu sehen, das halt so gar keine Erfahrung mit Touristen hat. Auf Wikipedia gibt es einer Länder-Rangliste von Touristenankünften pro Jahr. Österreich liegt auf Platz 10 mit über 30 Millionen Ankünften, Osttimor auf Platz 205 (drittletzter Platz der Liste) mit sechstausend (!) Ankünften pro Jahr – dahinter liegen nur mehr Tuvalu und Kiribati. Und vor Osttimor sind „Touristenhochburgen“ wie der Tschad, die Komoren oder die Salomonen zu finden.
Das zeigt sich auch am Flughafen - immerhin hat Dili einen internationalen Flughafen, wo Flieger aus Australien (Darwin), Indonesien (Denpasar) und Malaysia (Kuala Lumpur) landen - man kann also nicht sagen, dass dort zu viel los ist. Gerade wird eine Erweiterung gebaut, denn die Landebahn ist zu kurz für größere Maschinen und auch die Infrastruktur ist, nun ja, sagen wir einmal, einfach.

Es war nichts gefährlich oder unangenehm, aber fast alles einfach mühsam. Wir sind es gewohnt, jede Information im Internet nachzuschlagen und das klappt hier halt so gar nicht. Ein spannendes Land, ich bin gespannt wann ich einmal von Osttimor in den Nachrichten lese – und dann hoffentlich etwas Positives, es ist diesem jungen Land zu wünschen.

Osttimor haben wir dann wieder in Richtung Malaysia verlassen (war die einzige sinnvolle Route für uns - und die Auswahl war ja wie gesagt nicht so groß) und auch zwei Tage in Kuala Lumpur verbracht - was wieder einen ziemlich krassen Gegensatz zu Dili/Osttimor darstellte.

Kuala Lumpur ist die Hauptstadt Malaysias, hat zwei Millionen Einwohner (im Großraum sind es knapp acht Millionen) und entspricht von außen mit seinen zahlreichen Hochhäusern und dem beeindruckenden Farbenspiel in der Nacht sicher dem Bild, das man von einer Großstadt im Kopf hat.

 

Im Kleinen hat Kuala Lumpur seinen Reiz durch das Zusammenspiel des Unterschiedlichen. Denn einerseits gibt es KLCC, das Kuala Lumpur City Center, das mit ultramodernen Gebäuden wie den ikonischen Petronas Towers und Einkaufszentren protzt.

Aber gleich daneben gibt es das ursprüngliche Viertel “Kampung Baru”, wo die Bevölkerung in kleinen Häusern in ihrer Community lebt. Dieses Viertel war auch das zentrale Element bei einer – wie könnte es anders sein – walking tour. Wirklich lustig war der Besuch bei einem alten Herren in diesem Viertel - er ist alleinstehend und hat sich wirklich gefreut Besuch zu bekommen - aber seht selbst. Das Video kam übrigens von unserer Tour Guide - hab ich schon mal gesagt, dass Asiaten mit Fotos und Videos ein wenig extrem sind und es ausartet, wenn sie eine Drohne in die Finger bekommen?

Eine zweite Tour hat uns – auch dies wohl wenig überraschend, wenn man unserem Blog folgt – wieder dem Essen näher gebracht. Vieles ähnelt hier der indonesischen Küche, hat aber deutlich mehr Einflüsse aus Indien. Und abgesehen von diesen schmackhaften Erfahrungen haben wir auch erstmals Durian, die Stinkfrucht, verkostet. Während Steffi es als durchaus akzeptablen Geschmack empfand, kann ich nur unterstützen, dass dieses Teufelsgewächs in U-Bahnen und Hotelzimmern aufgrund des penetranten Geruchs verboten ist. Aber es gibt genügend Früchte, die man hier wirklich genießen kann – wobei es für mich oft wirkte wie „kleine Lychee“ (Longan), „große Lychee“ (Mongostan), „haarige Lychee“ (Rambutan) – das ist schon ein Geschmack, der einem hier oft begegnet. Was aber durchaus angenehm ist.

Das Nationalgericht Malaysias ist übrigens Nasi Lemak. Nasi ist Reis, Lemak bedeutet „fett“, denn der Reis wird mit Kokosmilch verfeinert und da zu einer recht üppigen Angelegenheit. Außerdem werden Pandanblätter beim Kochen hinzugefügt - ich kann den Geschmack nicht beschreiben, wenn ich es in einer Speise rieche, dann riecht es nach “Asien” - blumig, leicht nach Vanille. Dazu Sambal (scharfes Pesto), frittierte Sardellen, Gurken und ein Spiegelei. Schon sehr schmackhaft, auch wenn ich das Gefühl habe, dass ich selbst in Asien jeden Tag an Gewicht zulege. Langsam ist das kein Spaß mehr - schon allein deshalb müssen wir bald wieder heim.

In Summe haben wir nicht so viel unternommen in Kuala Lumpur, eigentlich sieht man hier fast alles. Bilder von den Petronas Towers geschossen und gegessen - denn das letzte Monat unserer Reise musste etwas weiter geplant werden, die Internetverbindung in Osttimor hat das ja eine Woche lang torpediert. Weiter gehen wird es nach Taiwan, Hong Kong, Macau, China und zum Abschluss Südkorea. Allein die ersten Planungsschritte in Taiwan haben schon einen ersten Eindruck gegeben, dass da manche Herausforderung auf uns warten wird: Weil wir schlicht nix lesen können.

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Mal einen Abstecher nach Singapur und weiter geht's nach Malaysia

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Republik China und nicht Volksrepublik China: Ab nach Taiwan