Neun Monate sind wir nun unterwegs und kommen seit Australien auch mit jeder Etappe Europa wieder einen Schritt näher. Von Jakarta (einem der schlimmsten Flughäfen auf unserer Reise, Anzeigetafeln werden fast vollständig durch unverständliche Ansagen ersetzt) ging es weiter nach Singapur.
Singapur hat für mich einen gewissen “Dubai-Touch” – es ist ein sehr kleiner Stadtstaat, gilt (neben Hongkong) als das asiatische Finanzzentrum und hat offenbar Geld. Richtig viel Geld. Singapur zählt zu den teuersten Städten weltweit, wobei für uns Touristen die USA noch teurer war, aber vom indonesischen „was kostet die Welt?“ war hier nicht mehr viel über.
Singapur ist ein Inselstaat und praktisch eine große Stadt mit einer Fläche von nur 728 km² - und gleichzeitig einer Einwohnerzahl von über 6 Millionen. Damit hat Singapur auch die zweithöchste Bevölkerungsdichte der Welt - nur Monaco hat noch mehr Einwohner pro km². Singapur ist einer der vier asiatischen “Tigerstaaten” (die anderen drei liegen übrigens noch vor uns auf unserer Reise: Taiwan, Südkorea und Hongkong) und ist bei uns auch bekannt als der Staat der Verbote: Die Einfuhr von Kaugummi ist nach wie vor verboten und auf der Straße sieht man viele Tafeln, was mit welchem Bußgeld bestraft wird (z.B. Pinkeln in Grünanlagen hat eine Maximalstrafe von € 2.500,-). Das kann man gut oder schlecht finden, Singapur ist für eine Großstadt unglaublich sauber, aufgeräumt und grün – ich denke man findet zahlreiche Dörfer in Österreich, wo es auf den ersten Blick schlechter aussieht.







Da lohnt wieder ein Blick auf die Geschichte Singapurs. Die „Einheimischen“ sind in Singapur (wie auch in Malaysien und Indonesien) die Malayen – diese drei Länder verbindet eine gemeinsame Geschichte. Der britische Handelsgesandten Raffles (dieser Name kommt einem bei Singapur immer wieder unter) begründete hier 1819 die erste britische Niederlassung der Britsch-Ostindien-Kompanie. Besonders der Hafen wurde von Bedeutung, da er eine strategisch günstige Lage hat, denn mit der Eröffnung des Suezkanals im Jahr 1869 wurde die Straße von Malakka mit der Straße von Singapur die kürzeste Handelsroute zwischen den damals bedeutenden Ländern Indien und China. Singapur wuchs auch aufgrund der Einwanderer aus diesen beiden Ländern und wurde rasch das Handelszentrum Südostasiens. Die Briten wurden damals durchwegs positiv gesehen, es gab hier im Gegensatz zu Südamerika und den Conquistadores keine breite indigene Bevölkerung, gegen die gekämpft wurde, sondern man nützte die geographisch gute Lage.
Dies kam mit dem zweiten Weltkrieg ins Wanken, denn Japan war in Asien wenig zurückhaltend und eroberte ein Land nach dem anderen. Die Briten konnten die Angriffe Japans aus dem schon gefallenen Malaysien (damals noch “Föderation Malaya”) 1942 nicht abwehren und Singapur geriet unter japanische Besatzung, wobei v.a. an den chinesisch-stämmigen Einwohnern mehrere Massaker verübt wurden – man spricht von 90.000 getöteten chinesisch-Singapurern.
Mit der uneingeschränkten Kapitulation Japans 1945 nach den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fiel Singapur an Großbritannien zurück – die Eroberung durch Japan hinterließ aber ein tiefes Trauma bei den Singapurern und das Bild der Briten als „gute Beschützer“ war nachhaltig zerstört. So wurde Singapur 1959 eine selbst regierte Kronkolonie und 1963 schließlich unabhängig im Rahmen der Föderation. Im ersten Schritt strebte man einen Zusammenschluss mit dem malayischen Bruder Malaysia an, wobei dies binnen kürzester Zeit scheiterte, da Malaysien und Singapur unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft hatten und Singapur schließlich aus der Föderation ausgeschlossen wurde.
Die Singapurer öffneten sich gegenüber dem „westlichen“ Leben und die Religion trat in den Hintergrund. Auch wenn zahlreiche Religionen auf engem Raum zusammenkommen (die Mehrheit der Singapurer gehört dem buddistischen Glauben an, gefolgt von Christen, Muslimen, Taoisten und Hinduisten), spürt man keine vorherrschende Religion in Singapur. Es gibt Moscheen, Kirchen und zahlreiche Tempel. Das Bild auf der Straße wird von chinesischen und indischen Personen geprägt, Geschäfte wohin man schaut, ebenso ist Alkohol im Gegensatz zu Indonesien hier wieder omnipräsent. Singapur könnte auch eine US-amerikanische Großstadt sein, multikulturell und modern. Das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen wird sogar rechtlich geregelt (auch von daher kommen die vielen Vorschriften), es gilt das Ziel “Frieden und Gleichberechtigung durchzusetzen”. Das lässt sich auch an den unterschiedlichsten Glaubenshäusern in der Stadt gut erkennen.






Und so blieb Singapur als Stadtstaat über und wurde 1965 ein eigener Staat – klein, aber wohlhabend. Daran arbeitete man in den kommenden Jahrzehnten auch weiter und blieb offen für Zuwanderer, aber immer mit allerlei strengen Regeln, um das Zusammenleben zu organisieren. Nicht nur einmal hörten wir, wie sicher Singapur ist, dass man auch in der Nacht als Frau allein unterwegs sein kann - „Freiheit“ im europäischen Verständnis ist wohl der Preis, den man dafür zahlt, denn der öffentliche Raum ist nur so gespickt mit Überwachungskameras.
Wirklich beeindruckend sind aber die Archivbilder von Lee Kuan Yew, dem damaligen Premierminister Singapurs, der im TV in Tränen ausbrach, als er die Trennung von Malaysia bekanntgab. Er dachte, dass der Bund mit Malaysia aufgrund der fehlenden Rohstoffe Singapurs notwendig sei. Politik ist aber ohnehin ein schwieriges Thema in Singapur, denn es ist de facto ein Einparteiensystem, das aus europäischer Sicht einer Autokratie sehr nahe ist. Aber zugegeben, ganz unerfolgreich scheint es hier nicht zu sein, wenn man nach wirtschaftlichen Kriterien urteilt.
Singapur ist eine wunderschöne, saubere, grüne und aufgeräumte Stadt und dennoch wurden wir mit ihr nicht ganz so warm, denn für uns hatte es etwas Austauschbares, Gelacktes. Dazu kommt das sehr Subjektive, wir lieben es, eine Stadt zu Fuß zu entdecken und Singapur ist einfach keine Fußgängerstadt. Die Ampelphasen sind rein auf den Autoverkehr ausgerichtet und dazu sind die Singapurer so diszipliniert, dass man bei rot an der Ampel wirklich wartet – auch wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist. Dazu ist es in Singapur heiß mit einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit – so steht man dann gefühlte Ewigkeiten in der Sonne und wartet auf eine Grünphase.
Aber dennoch gibt es viel Beeindruckendes, bspw. wird auch vorgeschrieben, dass innerhalb der Stadt binnen einer gewissen Entfernung eine Grünfläche erreichbar sein muss oder dass neue Hochhäuser begrünte Dächer haben müssen. Das führt zu zahlreichen, frei begehbaren Dachgärten. Dazu gibt es fantastische Parks und Gärten und es ist beeindruckend wie grün eine Großstadt sein kann.



Wir haben die Stadt dennoch erkundet, der öffentliche Verkehr funktioniert sehr gut und die „urigen“ Stadtviertel wie Chinatown oder Little India haben absolut ihren Reiz.
Faszinierend ist auch das Stadterweiterungsprojekt rund um die Marina Bay, wo das inzwischen wohl bekannteste Symbol Singapurs zu finden ist: Das Marina Bay Sands Hotel. Drei Hoteltürme, auf denen ein „Schiff“ aufgesetzt ist.




Wir hatten zwei Tage in Singapur und für uns hat das gepasst. Ich möchte Singapur wirklich nicht schlechtreden, das ist ein schöner Fleck Erde in Asien und ich bin mir sicher, dass Singapur viele Fans hat. Wir haben aber auf der Reise schon gelernt, dass uns oft das Unperfekte, das Schmuddelige, das Abenteuerliche mehr reizt und daher war die Abreise nach Malaysien kein allzu schwerer Abschied.
Dazu gab es aber auch noch etwas Schönes, denn ich finde, dass wir durch das Reisen wirklich viel lernen über die Welt. Die Bilder schauen natürlich oft aus wie Urlaubsbilder, hier ein Strand, da ein spaßiges Selfie, aber wir beschäftigen uns nicht zuletzt durch den Blog sehr mit den Kulturen und den bereisten Ländern und ihrer Geschichte. Und da sehen wir in Singapur eine Skulptur und sagen beide sofort “Das ist doch vom Botero!”, denn diesen Vogel haben wir auf der Reise schon einmal gesehen, nämlich in Medellin/Kolumbien. Und wir haben sofort im Kopf, dass dort zwei dieser Skulpturen stehen, da einer bei einem Anschlag beschädigt wurde, aber als Mahnmal stehengeblieben ist.
Und das macht mich wirklich glücklich, dass ich bei Themen wie Kunst oder Geschichte, die mich eigentlich so gar nicht interessieren, plötzlich Dinge ein- und zuordnen kann. Das mag für viele eine Kleinigkeit sein - aber mich hat das sehr, sehr gefreut.
Weiter ging es mit dem Bus nach Malaysia, genauer gesagt nach Malakka.
Hier bekomme ich wieder vor Augen geführt, woher meine Naivität zu Bussen in Südamerika kam, denn in Asien klappt Busfahren einwandfrei.
Von Singapur aus gibt es drei Hauptrouten nach Malaysien per Bus: Johor Bahru, das ist eine malaysische Großstadt unmittelbar an der Grenze zu Singapur, in der auch viele Menschen wohnen, die in Singapur arbeiten und sich die hohen Mieten dort nicht leisten können/wollen. Johor Bahru ist in etwa 45 Minuten zu erreichen und ich kann nachvollziehen, dass es eine gute Alternative zu Singapur ist.
Dann kann man noch Kuala Lumpur, die Hauptstadt Malaysias binnen etwa 6h erreichen und eben Malakka – wieder einmal eine Stadt, von der ich vorher zugegeben genau nichts gehört hatte. In jede dieser Destinationen gibt es zahlreiche Verbindungen jeden Tag zu einem recht günstigen Preis. Und, das ist das Entscheidende: Absolut zuverlässig in ziemlich bequemen Bussen. Wunderbar.
Aber zurück zu Malakka (oder Malacca oder Melaka – unterschiedlich je nach verwendeter Sprache), denn man kennt vielleicht nicht die Stadt, wohl aber die „Straße von Malacca“. Das ist die Meerenge vor Malaysien, die dann in die Straße von Singapur mündet und man kann schon erahnen, warum diese Stadt bedeutend war/ist in Malaysien.
Malakka wurde ursprünglich von den Chinesen als Handelsplatz (u.a. für das Sandelholz aus Timor - das wird uns auf unserer weiteren Reise nochmals begegnen) gegründet, wurde 1509 portugiesisch und 1641 von den Niederländern erobert. 1824 wurde die Stadt dann britisch. Die Altstadt mit ihren Bauten aus der Kolonialzeit (v.a. von den Niederländern) ist – völlig zu Recht – ein Weltkulturerbe der UNESCO, denn zahlreiche Gebäude in niederländischem Stil sind noch erhalten. Der besondere Flair kommt aber durch den Malakka River, der sich durch die Stadt schlängelt und extrem an Grachten in den Niederlanden erinnert – aber dieser Fluss ist natürlich und nicht gebaut. Wenn man an den Promendaden des Flusses entlang spaziert, fühlt man sich wie in Amsterdam, natürlich aber auch, weil es hier so etwas wie „europäisches Leben“ gibt.






Wir waren in vielen Orten, die wirklich schön waren, aber wo es touristisch einfach nichts gab. Das ist hier anders: Malacca ist eines der Touristenzentren Malaysiens und auch wenn hier kaum Europäer zu finden waren - es war absolut voll mit asiatischen Touristen.
An der Promenade gibt es zahlreiche kleine Lokale, (im Vergleich zu Südamerika kleine) Murals und auf dem Fluss gibt es Bootstouren im Minutentakt. Die Kombination aus aufgeregten Asiaten und touristischen Bootstouren führt dazu, dass man durchgehend jemandem winkt. Ständig wird gewunken – nervig und doch irgendwie bezaubernd.







Dieser Ort ist ein asiatisches Historien-Disneyland und ist dennoch eine Empfehlung von uns. Wir haben eine Nacht hier verbracht und waren ziemlich angetan – vor allem wenn man den Ort auch am Abend (es gab einen riesigen Night Market) erleben kann, wenn die Bus-Tagestouristen die Stadt wieder verlassen haben.



Auf dieser Reise gibt es auch immer wieder Dinge, die ich weder einordnen noch verstehen kann. Ich pauschaliere hier, weil ich es einfach nicht besser weiß, aber ich habe den Eindruck, dass Asiaten es auf Urlaub gerne bunt, kitschig, glitzernd und laut mögen. Malakka ist voll kleinen Fahrrad-Rikschas (sieht man auf einigen Bildern), die extrem bunt, beleuchtet und in unterschiedlichsten Stilen gestaltet sind (Spiderman, Pikachu, Hello Kitty - dem Geschmack sind hier keine Grenzen gesetzt). Und sie sind vor allem eines: Laut. Extrem laut. Ich weiß nicht, wer das in Europa schön finden würde, aber hier ist es ein Renner. Beim Video ist da keine Musik hinterlegt, das sind die originalen Aufnahmen. Und ich bin heute noch fassungslos.