Taiwan war ein sehr viel versprechender Einstieg in eine für uns noch recht unbekannte Welt und ließ die Neugierde wachsen. Und damit war auch der nächste Stopp für uns klar: Hongkong.
Da war unser Wissen wieder einmal überschaubar, wir hatten da im Kopf, dass sich die Briten da vor Jahren zurückgezogen hatten, es jetzt wieder chinesisch ist und dass es damals Proteste gab. Und dass es eine ziemliche Metropole ist.
Und auch da wieder, falsch ist das alles nicht, aber man muss etwas tiefer gehen, um die Situation zu verstehen.
Hongkong besteht aus der Insel Hongkong Island, die das Zentrum darstellt, aus einem Teil am Festland (u.a. mit dem Stadtteil Kowloon) und einigen weiteren kleinen (und weniger bedeutenden) Inseln. Die erste Besiedelung durch die Briten erfolgte auf Honkong Island nach dem ersten Opium Krieg 1843, wo man einen Hafen aufbaute.
Da ähnelt die Geschichte jener Singapurs, denn auch hier verzichteten die Briten auf Zölle im Hafen, wodurch dieser rasch größer und bedeutsamer wurde. In der Straße von Hongkong lag der Hafen vergleichsweise geschützt: Einerseits klimatisch durch die Berge sowohl auf der Insel als auch am Festland – auch wenn es sich um eine Region handelt, in der heftige Taifune in der Regenzeit häufiger vorkommen, man lag nicht zum offenen Meer hin und hatte einen gewissen Schutz.
Und da brauchts nun einen kurzen Exkurs zum Opium-Krieg - noch dazu weil das ja gewisse Parallelen zur heutigen Zeit hat: Die Briten handelten im 19.Jhdt mit Indien und China, wobei im Handel mit China ein großes Handelsdefizit entstand. Aus China wurde Tee nach Großbritannien gebracht und in Silber bezahlt. Die Briten exportierten aber deutlich weniger nach China, daher suchten die Briten einen Weg um das Defizit auszugleichen. Diesen Weg fanden sie in Opium, das sie billig in Indien produzieren konnten und exportierten es nach China. Als aber der Großteil der chinesischen Bevölkerung süchtig nach Opium war, zogen die Chinesen die Reißleine und beschlagnahmten eine britische Opiumlieferung. Da kam es zum ersten so genannten Opium Krieg, den die Briten gewannen.
Die Briten waren also in einer stärkeren Position in dieser Zeit und ihre Beschränkung auf Hongkong Island hatte für sie einen strategischen Nachteil: Der Hafen war nicht vor kriegerischen Angriffen vom Festland geschützt – dafür benötigten die Briten auch das heutige Kowloon, also die Region am chinesischen Festland. Und China wurde nach der Niederlage im ersten Opium Krieg gezwungen, dieses Land den Briten zu übergeben – allerdings unter der Auflage, dass man es nur für 99 Jahre den Briten überlässt und das Land dann zurückgegeben werden muss. Dies führte zu der Rückgabe 1997, wobei Hongkong eine 50-jährige Übergangsfrist zugestanden wird. So kam es zu der heute für die Hongkonger belastenden Situation, dass dieses westliche und britisch geprägte Land im Jahr 2047 wieder chinesisch wird - mit allem was das mit sich bringt. Demokratie und Meinungsfreiheit um nur zwei nicht ganz unwesentliche Punkte herauszugreifen.
Hongkong wuchs in den 1950er Jahren aufgrund der Fluchtbewegung von Chinesen (Bürgerkrieg in China wie schon im Blog über Taiwan beschrieben) stark an und wurde nach und nach zu einem Finanzzentrum in Asien und zu einem der vier Tigerstaaten. Auch das mit den Finanzen ist nicht so überraschend, denn Hongkong ist schlicht eingeschränkt in den wirtschaftlichen Möglichkeiten aufgrund der Größe. So lockte man internationale Konzerne mit niedrigen Steuern (Einkommen werden nur mit rund 10% besteuert) – und was kann man gut machen, wo nicht viel Platz benötigt wird? Natürlich Finanzen…
So kam es zum heutigen Hongkong, rein äußerlich eine internationale Metropole voll von Wolkenkratzern und offiziell „Sonderverwaltungszone (der Volksrepublik China)”. Und gleich vorne weg, das ist etwas, das die Bevölkerung hier wirklich bewegt. Mehrere Personen sagten uns, dass sie das Land vor 2047 verlassen werden, denn sie wollen nicht unter China leben. Und das kann man schon verstehen, das heutige China ist ein autokratischer Staat in dem die Grundrechte eingeschränkt sind. Das war in Hongkong eine völlig andere Situation, die Menschen wurden von den Briten geprägt und es war ein reicher Stadtstaat westlichen Zuschnitts. Das hat sich trotz der Übergangsphase von 50 Jahren schon geändert, die großen Proteste im Jahr 2019 (Regenschirmproteste) wurden niedergeschlagen, die politischen Gegner verhaftet und heute gibt es keine Proteste mehr. Aber nicht, weil die Menschen nun zufrieden wären, sondern weil die Niederschlagung gezeigt hat, dass China bereits die Überwachung der Menschen gestartet hat. Überall sind Kameras und unseren Tourguides war immer extrem wichtig, dass ihre Aussagen nicht aufgezeichnet werden und sie achteten sehr darauf, wo sie die Aussagen machen. Auch wenn die Hongkonger ethnisch Chinesen sind, so hatten sie seit jeher eher Anknüpfungspunkte in den Westen – seit Australien hatten wir auf unserer Reise nicht mehr so viele westlich aussehende Personen und so ein westliches Leben (Handelsketten, Restaurants, etc.) gesehen.
Diese Geschichte ist in Hongkong omnipräsent, aber beginnen wir mal mit den Impressionen aus Hongkong. Das Zentrum ist „Central Hongkong“ auf Hongkong Island. Und das hat einen spannenden Flair, einerseits fühlt man sich wie in New York inmitten der Wolkenkratzer, andererseits erinnert einen vieles an Großbritannien – allein schon die Straßenbahn und die Taxis.






Was uns nicht bewusst war und zu einem schweißtreibenden Ankommen führte („Google sagt 10 Minuten vom Bahnhof zu unserem Appartment, ach das können wir doch locker gehen!“): Hongkong ist extrem hügelig. Unzählige Treppen ziwschen den Häusern verbinden die Straßen und was wir da eben auch noch nicht wussten, die weltweit längste zusammenhängende Rolltreppe erleichtert den Hongkongern ihren Alltag. Das hat uns sehr an Medellin/Kolumbien erinnert, wo wir erstmals Rolltreppen als Beförderungsmittel auf Hügel einer Stadt gesehen hatten. Der “Central Mid-Levels Escalator” hier besteht aus 20 hintereinander verlaufenden Rolltreppen, ist in Summe 800 Meter lang, überwindet einen Höhenunterschied von 135 Höhenmetern und verbindet mehrere Straßenzüge miteinander.
Über der Stadt drohnt der Victoria Peak, ein kleiner Gipfel (Seehöhe 552 Meter), den man entweder zu Fuß, mit öffentlichen Bussen oder einer Standseilbahn erreichen kann. Letztere ist die Touristenoption, die wir bei Temperaturen um die 35 Grad sehr gerne in Anspruch genommen haben. Gebaut 1885 erinnert sie mich natürlich an die Grazer Schloßbergbahn - muss man ausprobieren.
Oben angekommen hat man einerseits einen wunderschönen Blick über die Stadt, es gibt auch einige Attraktionen wie Madame Tussaud’s und zudem kann man auf Spazierwegen diesen grünen Hügel erleben – immer mit einem wirklich fantastischen Blick auf diese unglaubliche Stadt.







Man sieht eigentlich nur Hochhäuser – ein Einfamilienhaus mit Garten kann man sich hier abschminken. Das hat den Grund, dass hier auf sehr geringer Fläche (1.100km² - also rund 2.5x Wien) über 7 Millionen Personen wohnen – damit liegt Hongkong in den Top 3 weltweit (je nach Statistik - aber es ist verdammt dicht besiedelt). Wohnraum ist unglaublich teuer (Hongkong gilt als die teuerste Stadt international was Wohnraum betrifft, noch vor Singapur, London oder Zürich) und der Wohnraum reicht nicht aus bzw. viele können ihn sich nicht mehr leisten. Wir haben wir zusätzlich zu der typischen Stadttour mit den größten Attraktionen auch eine Tour „ins normale Leben“ der Hongkonger gemacht und ein Viertel besucht, dass eher einen niedrigen Einkommensstandard hat. Einerseits war es spannend die Märkte und das Alltagsleben des durchschnittlichen Einwohners zu sehen, aber hier kann man auch in einer Wohnung (die extra dafür gemietet ist) sehen, wozu die Wohnungsnot geführt hat.
Eine Einzimmerwohnung mit 20m² (also in unseren Dimensionen ein Zimmer) wird um rund € 1.500,- pro Monat vermietet, für 60m² zahlt man ab € 4.000,-. Ähnlich verrückt sind die Kaufpreise, wo man für 60m² in einer durchschnittlichen Gegend mit Millionenbeträgen rechnen muss. Noch dazu, wo man nur die Wohnung, aber nicht den Grund erwerben kann - der gehört nämlich Hongkong respektive China. Zwar ist die Einkommenssteuer sehr niedrig, aber das Medianeinkommen liegt bei rund € 2.500,- im Monat – man kann verstehen, dass man sich nicht leicht eine Wohnung leisten kann. Daher wohnen viele Hongkonger entweder bei den Eltern oder in wirklich winzigen Wohnungen: Man nimmt eine 50m² Wohnung und teil diese einfach in 3-4 winzige Zimmer. In den extremen Fällen gibt es in Hongkong „Käfigwohnungen“, wo man sich nur einen absperrbaren Käfig mietet – die Miete liegt hier bei einigen Hundert Euro im Monat und ist für die ärmsten die einzige Möglichkeit, ein Dach über dem Kopf zu haben.
In der von uns besuchten Wohnung würden vier Personen (zwei Erwachsene und zwei Kinder) leben – der Käfig ist dort nur zu Ansichtszwecken eingebaut. Problematisch ist in Hongkong aber besonders, dass die Problematik eben nicht nur den Rand, sondern die Mitte der Gesellschaft trifft. Die Gegend um die U-Bahn-Station “Prince Edward”, wo wir die Fotos der Gebäude geschossen haben, ist eine einfache Gegend - wo zwar eher die niedrigen Einkommensbezieher leben, es aber dennoch nicht so billig ist, dass sich alle eine Wohnung in unserer Vorstellung leisten können.
Selbst etwas “außerhalb” (was in einem Stadtstaat höchst relativ ist) ist es sehr dicht bebaut. Wir haben den Weg nach Lantau Island genommen, denn dort gibt es abgesehen von Disneyland Hongkong (was nicht ganz das Richtige für uns ist) und dem Flughafen eine für uns passende Sehenswürdigkeit: Ngong Ping. Das ist ein Hochland im Westen Hongkongs, das ein Kloster und den weltweit größten Buddha beherbergt. Im Jahr 2002 beschloss man den Ausbau zu touristischen Zwecken und mit der Fertigstellung der Seilbahn im Jahr 2006 wurde dieser Bereich für Touristen einfach zugänglich. Die U-Bahn bringt einen recht bequem bis zur Talstation einer Seilbahn (erbaut von “Leitner Ropeways”, was zu meiner Enttäuschung ein südtiroler Unternehmen ist), die einen in 25 Minuten mit einer Länge von 5.7km auf eine Höhe von gerade einmal 420 Meter bringt.
Man kann bei der Seilbahn spezielle Kabinen buchen: Glasboden, komplett verglast oder Disney-themed. Wir haben uns für den Glasboden entschieden und ich kann nicht sicher sagen, ob es den kleinen Aufpreis wert war, aber es ist schon beeindruckend. Sagen wir als Österreicher, denen Seilbahnen nicht so ganz fremd sind.





Oben angekommen gibt es ein künstliches, kleines “Dorf” (es wird “Village” genannt, ist aber eigentlich nur eine Ansammlung von Verkaufsständen), ein Kloster (Po Lin Monastery) und die weltgrößte Buddha-Figur (Tian Tan Buddha).
Der Buddha ist 34m hoch, wiegt 250 Tonnen und ist über 268 Stufen zu erreichen. Und die Swatiska auf seiner Brust ist wohl nicht nur für mich befremdlich - da merkt man ganz klar, in welchem Kulturkreis man aufgewachsen ist.









Wir waren recht lange in Hongkong (zumindest für eine einzelne Stadt), aber es gab dort extrem viel zu sehen und zu unternehmen. Zum Abschluss genossen wir noch die allabendliche Drohnenshow über Hongkong Island.
Insgesamt waren wir von Hongkong sehr angetan, denn es ist eine wunderbare Mischung aus Asien und Europa. Dazu vergleichsweise eng, sodass man viel zu Fuß oder mit den sehr effizienten U-Bahnen machen kann. Englisch wird fast überall gesprochen, zwar oft nur sehr brüchig, aber man spürt das internationale Klima. Und dazu die spannende Situation, dass es diese Stadt so wohl nur mehr etwas mehr als 20 Jahre geben wird – was unglaublich klingt, aber uns bei unserer nächsten Station, Shanghai, ganz deutlich vor Augen geführt wurde.
Und damit noch ein Blick auf die kleinen Skurrilitäten oder spannenden Beobachtungen unseres Aufenthalts, die sonst keinen Platz hätten, aber es wert sind, mit euch geteilt zu werden.
- Das beginnt mit der aufflammenden Spielsucht bei Steffi und dem nächsten Begleiter auf unserer Reise.
- Das Werbeplakat in der Hongkonger U-Bahn um Mitarbeiter anzuwerben, fand ich herrlich. Ist das, wie Chinesen westliche Personen sehen? Fantastisch.
- Und zuletzt ein eher nachdenklich machendes Bild. Dieses Selfie haben wir nur gemacht um nicht direkt die Menschen zu fotografieren, aber hier ist es ohnehin weniger das Bild als die Geschichte, die dahinter steht. In Hongkong ist es üblich, eine Haushaltshilfe aus ärmeren, ostasiatischen Ländern anzustellen. Diese Hilfen leben sechs Tage mit den “Auftraggebern”, haben aber am Sonntag ihren freien Tag - wobei es vielen am Sonntag nicht erlaubt ist, “zu Hause” zu sein. Sie sind also gezwungen, ihren Tag irgendwo in der Stadt zu verbringen und so bilden sich Communities auf der Straße - Haushaltshilfen, die am Sonntag nicht am Arbeitsplatz willkommen sind. Also sind sie auf der Straße, kochen, essen, schneiden sich gegenseitig die Haare - wir hätten das nicht verstanden, wenn wir nicht auf unserer Reise in Indonesien Briten getroffen hätten, die in Hongkong leben und davon erzählt haben. Wir waren an einem Sonntag in Hongkong und hätten das nicht bemerkt/verstanden - aber so ergab alles einen Sinn.