Back to All Events

New Orleans - Ab in die Sümpfe


Also nun die USA. Hatten wir eigentlich nicht auf der Liste, denn einerseits sind die USA unglaublich teuer (selbst wenn ich es mit Europa und nicht nur mit Lateinamerika vergleiche) und andererseits nicht so kompliziert zu bereisen. Und wir hatten schon den Plan, jene Länder zu bereisen, die wir uns in dieser Form im Alter vielleicht nicht mehr antun möchten - ich weiß nicht, ob ich mit 60 noch einen Vulkan runterrutschen möchte. Oder ob ich das dann noch kann, so realistisch muss man schon auch sein.
Das alles in Verbindung mit dem verrückten Präsidenten Trump – wir waren recht entschlossen, die USA auszulassen.

Aber irgendwie müssen wir über den Pazifik und die angedachte Route von Japan Richtung Süden hat halt auch den Nachteil, dass wir uns von Europa noch weiter entfernen und das Ende unserer Reise kommt ja doch immer näher. Da sahen wir das Angebot von Fiji Airways und das war wirklich spannend - keine € 400,- und die Möglichkeit eines längeren Stop Overs auf Fidschi - einem Land, mit dem wir ebenso wenig gerechnet hätten auf unserer Reise. Allerdings mit Abflügen aus den USA - klar, von Belize City aus werden nicht viele auf die Fidschis reisen wollen.
Und zusätzlich, man stellt sich das in der Theorie so einfach vor, aber wir brauchten schon auch Flugverbindungen, die einerseits finanzierbar und andererseits halbwegs erträglich sind. Ich hab mir auch das etwas einfacher vorgestellt, aber gerade in Zentralamerika gibt es viele Orte, wo man mit dem Flieger nicht gut wegkommt, gleich mal 20h unterwegs ist oder es ist einfach sündhaft teuer. Und die meisten Flüge gehen dann doch erst wieder über die USA, was ja bekannterweise selbst beim Umsteigen schon mühsam ist.

Langer Rede kurzer Sinn: Es machte für uns Sinn einen Abstecher in die USA zu machen. Unsere Reiseversicherung schließt die USA eigentlich aus (sonst wird es richtig teuer), inkludiert aber einen Aufenthalt von bis zu 14 Tagen. Also ab in die USA. Erste Station New Orleans – halbwegs ok zu erreichen von Belize aus und definitiv auf unserer Bucket Liste. Einmal die Südstaaten sehen, das hat schon seinen Reiz.

 

New Orleans, ich hatte kein konkretes Bild, sondern ein paar Begriffe im Kopf: Schwarze Bevölkerung, Sklavengeschichte, Sümpfe und der Ruf, eine wilde Partystadt v.a. im Fasching zu sein, Stichwort „Mardi Gras“. Also irgendwo zwischen “12 years a slave”, Schaufelraddampfern und Banjo spielenden Schwarzen - dazu heiß und feucht. Und hier traf mein Bild auch ziemlich gut zu.

New Orleans liegt am Mississippi und wurde - man kann es am Namen schon erahnen - von den Franzosen 1718 gegründet und zu Ehren von Philipp II, Herzog von Orléans, La Nouvelle-Orléans genannt. 1762 ging es an die Spanier und brannte 1788 ab. Kaum 6 Jahre später fiel die wiederaufgebaute Stadt wieder den Flammen zum Opfer. Das hatte übrigens zur Folge, dass der Baustil im bekannten French Quarter eigentlich spanisch ist - die Franzosen bauten nämlich mit Holz und so war die Stadt sehr gefährdet für Brände. 1800 fiel die Stadt zurück an die Franzosen und Napoleon verkauft Louisiana 1803 an die USA. Und so ist Louisiana heute eine sehr untypische amerikanische Stadt – außerhalb der “Altstadt” breite Straßen, einfach alles auf Autoverkehr ausgerichtet, oft leblose Häuserschluchten - halt die USA, wie man sie kennt. Aber es gibt einen alten Stadtkern mit einem enorm europäischen Flair: Das French Quarter mit seinen fantastischen Bauten. Die Touristenstraße Bourbon Street oder die ursprüngliche Frenchman Street mit legendären Jazzclubs. Alles wirkt auf Party ausgerichtet, Alkohol, die Geschichten um Voodoo und verfluchte Häuser. Selbst beim Alkohol ist es un-amerikanisch: Das French Quarter ist der einzige Fleck im US-Osten, wo auf der Straße offen Alkohol getrunken werden darf. Und diese Möglichkeit wird ausgiebig genutzt…
Das Klima hier ist wirklich nicht für ein normales Leben ausgerichtet. Es ist heiß und unfassbar feucht. Das Leben erwacht erst am Abend, wenn es ein wenig abkühlt.

Das gesamte Gebiet New Orleans ist eigentlich ein verdichteter Sumpf und außerdem auch noch recht empfänglich für Hurrikane - Katrina ist wohl jedem ein Begriff und hat hier unglaubliche Zerstörung angerichtet mit fast 2.000 Todesopfern.
Das „haunted“ Image von New Orleans hängt übrigens mit den Sümpfen zusammen, denn anfangs versuchte man, die Toten in der Erde zu beerdigen, aber die in den Sümpfen vergrabenen Särge kamen durch die Verwesungsgase wieder an die Oberfläche und New Orleans hatte das Bild einer „Stadt der Toten“. Heute werden die Verstorbenen in oberirdischen Grabkammern begraben, die ein Jahr und einen Tag verschlossen bleiben müssen. Durch die enorme Hitze verwesen die Körper so oberirdischen in diesen Kammern.

Die Sümpfe mit ihrer enormen Alligatorenpopulation waren auch ein Ausflugsziel von uns - absolut touristisch, denn wir haben uns für ein Airboat entschieden. Das sind kleine Boote, die mit riesigen Turbinen betrieben werden, die einen unglaublichen Lärm machen. Die sind so laut, dass man standardmäßig Kopfhörer als Gehörschutz bekommt. Das allein würde wohl schon ausreichen, dass man nicht so ganz von sanftem Tourismus spricht. Und da reden wir noch nicht davon, dass die Alligatoren mit Marschmallows angefüttert werden, damit die Touristen was zu sehen bekommen. Aber lassen wir gleichzeitig auch mal die Kirche im Dorf, wir reden von einer riesigen Sumpflandschaft, wo nur ein kleiner Teil touristisch zugänglich ist. Die Alligatoren könnten sich also jederzeit einen ruhigen Fleck suchen - aber der Reiz des Süßen lockt sie an, kaum hält das Boot irgendwo, kommen schon Alligatoren angeschwommen. Aber auch rundherum an Land sieht man sie zahlreich liegen - ich frage mich noch immer, was eigentlich geschehen wäre, wenn da jemand ins Wasser gefallen wäre. Aber wahrscheinlich wäre ein Mensch zu groß und zu anstrengend für diese amerikanisch verwöhnten Gators. Kurz und gut, es war sehr unterhaltsam in diesen Booten durch die Sümpfe zu schießen und die Alligatoren aus nächster Nähe in “freier Wildbahn” sehen zu können.

Weitaus „ernster“ war unser Ausflug zu einer Plantage, die heute ein Mahnmal gegen den Sklavenhandel ist. Als die europäischen „Entdecker“ in die USA kamen, benötigten sie Arbeitskräfte, um etwas auf diesem Land aufzubauen. Diese Ressourcen fand man in Afrika, versklavte sie und brachte diese schwarzen Arbeiter in die heutige USA. Durch die Lage am Golf von Mexiko und an der Mündung des Mississippi war New Orleans wie geschaffen als Umschlagplatz für Sklaven. Entlang des Mississippi wurde Zuckerrohr angebaut und keine Plantage kam ohne Sklaven aus. Das war wirklich extrem beeindruckend, wenn man die Bilder aus Filmen wie „12 Years a slave“ vor Augen hat und dann hier die Realität zur Filmkulisse sieht, die halt wirklich so war, wie es die Filme zeigen.
Wir haben die Whitney Plantage besucht, die über 150 Jahre lang von Sklaven bewirtschaftet wurde, bevor die USA die „Sklavenhaltung“ verboten. Man bekommt einen Einblick in das Leben in dieser Zeit – nichts was man nicht gewusst hätte, aber mit den Bildern vor Ort ist es extrem eindringlich.

Daneben ist New Orleans noch für zwei weitere Aspekte bekannt: Die Kulinarik und den Jazz. Lokale Köstlichkeiten sind einerseits Meeresfrüchte (Nola ist der größte Produzent von Austern in den USA) und der Poboy, ein heftiges Hotdog, das für streikende Arbeiter erfunden wurde und sich namentlich von „poor boy“ (armer Bub) ableitet. Belegt mit allerlei Köstlichkeiten, solange sie nur frittiert sind. Daher haben wir auch ein ganz typisches New Orleans Abendessen genossen: Austern (roh und gegrillt), Gator Bites (eine aufgeschnittene Alligatoren-Wurst) und Fried Pickles (in Backteig frittierte Essiggurkerl). Was soll ich sagen, man kann schon die Nase rümpfen, was die Amis da kulinarisch aufführen, aber es hat alles fantastisch geschmeckt. Und wir hatten vorher kaum mal Austern gegessen, aber sie haben sagenhaft frisch und zart geschmeckt - ein tolles “erstes Mal”.

Jazz wird in der Heimatstadt von Louis Armstrong v.a. in der Frenchman Street gespielt, der Fortgeh-Gasse der Einheimischen. Und die hat es uns angetan und wir haben zwei Abende in Jazzclubs verbracht. Auch hier mit Gator Bites, einem Poboy und ein paar gezapften Bieren - herrlich, nachdem ich in den letzten Monaten Bier fast ausschließlich aus Dosen trinken musste.

Es passt nirgends so ganz dazu, aber ich möchte die Fotos teilen. Die Villa links kennt man aus “Django Unchained” und die Allee in der Mitte aus “12 years a slave” - beides wurde zu Teilen hier einige Meilen außerhalb New Orleans gedreht. Und rechts ein Cybertruck von Tesla, hier fahren einige herum - fand ich dieses Teil schon auf Bildern hässlich, so kann ich jetzt bestätigen, dass es in Wirklichkeit einfach noch schiacher ist. Das musste gesagt werden.

New Orleans hat uns gefangen. Es ist ein enormer Gegensatz zu den Ländern, die wir in den letzten sieben Monaten bereist haben und ich will gar nicht in gut und schlecht einteilen. Natürlich hat es einen gewissen Luxus, Geschäfte wo es alles gibt, solide Versorgung und ähnliches. Und ok, zum ersten Mal seit sieben Monaten durften wir unser Toilettenpapier einfach wieder runterspülen – schon auch ein Gefühl von Luxus. Gleichzeitig aber eine härtere Umgebung, was ich so nie gedacht hätte, aber ich hab mich abends auf den Straßen deutlich weniger sicher gefühlt als in den letzten Monaten – an jeder Straßenecke Obdachlose und total verkommende Personen, die dich anschnorren. Unser schlimmstes Erlebnis war wohl ein Supermarkt, in dem eine sichtlich durch einen Schlaganfall gezeichnete Person an der Kassa gearbeitet hat. Die konnte sich kaum bewegen und hat uns den Einkauf eingepackt – einfach nur unmenschlich, so etwas zuzulassen.

Abgesehen von der aktuellen politischen Lage sind die USA sicher ein großartiges Land, eines der Paradiese meiner Kindheit, aber in der Realität schäbiger und härter als manch armes Land auf unserer Reise. Selbst in den Diktaturen in Zentralamerika habe ich weniger Extreme erlebt, als in ein paar Tagen USA. Diese Kluft wird mich sicher noch einige Zeit beschäftigen, denn es gab erneut ganz viel, das ich als großartig in den USA erlebt habe, aber es hat mich auch wieder bestärkt, dass ich in so einem Land einfach nicht leben möchte. Vielleicht weil der Kontrast hier so extrem ist – Nicaragua mag arm sein, aber die Unterschiede sind nicht so extrem wie hier und vor allem nicht so unmittelbar nebeneinander. Gerade nach den Erlebnissen der letzten Monate einfach unfassbar, dass ein so reiches Land es zulässt, mit den Außenseitern der Gesellschaft so umzugehen.

Previous
Previous
27 May

Belize - Schnorcheln, Tauchen und das Blue Hole

Next
Next
10 June

San Francisco - Mal wieder das Standard Touristenprogramm, herrlich