Sydney – was soll ich sagen? Es gibt ein paar der berühmten Weltstädte, “wo man irgendwann mal hin muss”: New York, London, Rom – so diese Liga. Und da ist Sydney für mich auch dabei, wobei sich mein Bild von Sydney wohl mit dem der meisten Europäer deckt. Man kennt die Oper und diese große Brücke wo zu Sylvester immer das Feuerwerk zu sehen ist. In meinem naiven Kopf kommen dann schon Kängurus und Sydney steht als Synonym für Australien. Und jetzt fiel es uns irgendwie in den Schoß – grandios.
Sydney steht für Australien, ist aber bekannterweise nicht die Hauptstadt Australiens. Das ist Canberra und um das zu erklären, muss ich ein wenig ausholen und auf die australische Geschichte eingehen. Und ich versuche das leicht verdaulich zu machen…
Ursprünglich lebten in Australien die Aboriginies (oder von den Australiern heute „First Nation“ genannt), im 16.Jhdt kamen die ersten europäischen Eroberer (Spanier, Portugiesen, Franzosen und Holländer). Diese landeten an der Westküste, die trocken und unwirtlich ist und daher gab es hier kein großes Interesse der Europäer. Geschichtlich gesichert sind die Landungen der Holländer Anfangs des 17.Jhdts, die Australien in Besitz nahmen und „New Holland“ nannten. Norden, Westen und Süden waren holländisch – im Süden ist das leicht erkennbar an der Insel „Tasmanien“, die nach dem niederländischen Seefahrer Abel Tasman benannt ist.
Die Engländer landeten zwar immer wieder in Australien, erhoben aber keine Besitzansprüche – wie gesagt, das Land schien nicht besonders interessant für Eroberer. Erst 1770 gab es hier eine Veränderung, als der Brite James Cook – eigentlich auf dem Weg nach Tahiti – die australische Ostküste „entdeckte“ und für die Briten in Besitz nahm. Dieser fruchtbare Teil Australiens erinnerte ihn mit den grünen Hügeln an Wales und daher der Name „New South Wales“. Er ging übrigens in Agnes Water an Land – diesen Ort haben wir bei unserem Roadtrip nach Brisbane besucht. Und daher wird Agnes Water auch “Town of 1770” genannt.
Für das heutige Australien war dann das Jahr 1788 von großer Bedeutung. Die Briten waren zu Beginn des 18. Jhdts in den USA verankert und brachten ihre Straftäter in die USA. Mit den amerikanischen Unabhängigkeitskriegen (ab 1775) war dieser Weg aber blockiert und die Briten suchten nach neuen Möglichkeiten, ihre Straftäter loszuwerden. Und da bot sich Australien an, ab 1788 wurden Straftäter nach Australien abgeschoben und gründeten Sydney. Der Stadtteil „The Rocks“ in Sydney, am heutigen Circular Quay und in unmittelbarer Nähe zur weltbekannten Oper von Sydney, war die erste Siedlung des heutigen Sydneys. Und tatsächlich eine Ansammlung von Kriminellen.
Melbourne wurde erst 1837 gegründet, war aber die erste Hauptstadt, da es nie eine Strafkolonie der Briten war. Und da ergibt sich die Problematik der Hauptstadt: Geschichtlich war Melbourne die Hauptstadt, während Sydney den Ursprung als Strafkolonie hatte. Gleichzeitig ist Sydney aber größer und bedeutender als Melbourne – das führte dazu, dass Australien die Planstadt Canberra im Jahr 1908 zur Hauptstadt machte, um den Konflikt zwischen Melbourne und Sydney zu schlichten. Etwas das wir auch schon in Nicaragua gesehen haben: Wenn sich zwei streiten (dort León und Granada), dann freut sich der Dritte (Managua).
Wenn auch die Ursprünge in einer Strafkolonie zu finden sind, wuchs Sydney zu Beginn des 19.Jhdts zu einer bedeutenden Stadt heran und heute ist Sydney eine der bekannten Weltstädte.
Sydney ist die größte Stadt Australiens mit etwa 5.5 Millionen Einwohnern und die Hauptstadt von New South Wales. Die Innenstadt ist im Endeffekt der “Central Business District” - eine richtige historische Innenstadt wie in Europa gibt es hier nicht. Das wäre am ehesten noch der Bezirk “The Rocks”, wo eben die Gründung von Sydney erfolgt ist - aber das ist keine Innenstadt in unserem Verständnis, sondern einfach nur ein historisches Stadtviertel beim Hafen.
Dennoch finden sich in der Innenstadt noch einige Hinweise auf die Briten - z.B. beim Queen Victoria Building aus dem Jahr 1898, das heute ein luxuriöses Einkaufszentrum ist oder auch die zahlreichen Geschäftshäuser der Innenstadt.
Ich empfand die Innenstadt als durchaus gelungenen Mix aus alt und neu, der mich immer wieder an New York erinnert hat - es ist nicht so steril wie manche US-amerikanische Innenstadt, hat aber dennoch viel mehr großstädtisches Flair als viele europäische Innenstädte mit ihrer ältere Geschichte.







Faszinierend ist an Sydney auch, dass die Stadt sehr zerklüftet ist mit vielen Buchten, Stränden und Halbinseln. Wie schon in Brisbane sind Fähren daher ein wichtiges Transportmittel in der Stadt.
Um das auszuprobieren, haben wir Watsons Bay besucht. Das wirkt wie eine Flucht aus der Großstadt, man benötigt kaum mehr als eine dreiviertel Stunde und erreicht eine Halbinsel mit einem kleinen Hafen, netten Lokalen an der Promenade und einem nicht allzu langen Rundweg durch Natur und einige Wohnvierteln für die offensichtlich betuchteren Sydneysider, wie sich die Einwohner Sydneys nennen. So kommt man auch zum Hornby Leuchtturm und den Klippen von Gap Bluff. Hier wird einem erst wieder bewusst, dass Sydney am Meer liegt – wobei der Pazifik hier um einiges rauer ist, als wir es von den Urlaubsorten am Mittelmeer kennen.






Erreichbar ist diese kleine Bucht von Circle Quay aus. Das ist das Fährzentrum der Stadt, die Oper Sydney liegt auf einer Halbinsel namens Bennelong Point und das erste Siedlungsviertel „The Rocks“ schießt hier unmittelbar an. Diese alte Rotlichtgegend ist heute ein trendiges Fortgehviertel mit einer Attraktion während unseres Besuches: Christmas in July Also ein Christkindlmarkt im Juli, was jahreszeitlich in Australien auch irgendwie besser passt.
Eine Erwartung wurde bei Australien übrigens absolut erfüllt: Überall gibt es Tiere, die einen töten können. Man geht schnorcheln und bekommt eine Übersicht, welche Tiere man auf keinen Fall angreifen soll, weil deren Gift tödlich ist. Getroffen haben wir dann aber eher die ungefährlichen Kollegen - aber es war schon beeindruckend, wie viel wilde Fauna es in Australien gibt.
Auch wenn es dann doch am Wasser recht kalt war, in Sydney muss man eine Hafenrundfahrt samt Whale Whatching machen. Man bekommt fantastische Blicke auf Stadt und angeblich auch auf Wale - diese hatten bei uns aber wenig Lust (nur ein Wal ließ sich kurz blicken) und so bleibt es hier bei Stadt-Eindrücken.






DAS Symbol von Sydney ist zweifellos die Oper. Wir hatten die Möglichkeit eine Führung in der Oper zu machen und so ikonisch das Design außen auch ist, so sehr war ich vom Innenleben enttäuscht. Aber auch hier muss ich wieder etwas ausholen: Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte Australien eine Blütezeit und man entschloss sich, in Sydney eine neue Oper zu bauen. Die weltweite Ausschreibung gewann der dänische Architekt Utzon, der aber (angeblich) sein Meisterwerk nie zu Gesicht bekam, da er vor Fertigstellung gefeuert wurde. Der Bau erinnert nämlich an den Berliner Flughafen: Man plante mit Kosten von 7 Millionen australischen Dollar bei einer Bauzeit von 5 Jahren. Schlussendlich benötigte man 14 Jahre zur Fertigstellung bei Gesamtkosten von 102 Millionen Dollar. Eröffnet wurde die Oper im Jahr 1973 und das Interieur wurde seitdem nicht verändert und wirkt wirklich sehr retro. Opern in Europa sind da irgendwie zeitloser, weil sie aus einer anderen Epoche kommen. Die Oper in Sydney hat mich an überteuerte Innendesign Shops erinnert, deren einziges Motto „Retro“ ist – es muss nur so ausschauen wie in den 70ern. Auch galt das Motto „form beats function“ – sprich Utzon war das Aussehen des Opernhauses wichtiger als die Akustik. So ist die Bühne vergleichsweise schmal, aber der Konzertsaal sehr hoch. Und mit zahlreichen “Schall-Elementen” wurde der Akustik nachgeholfen.











Damit ging unser Australientrip nach drei Wochen auch zu Ende. Dass wir Australien als Land absolut empfehlen können, ließ wohl schon aus den Berichten herauslesen. Uns hat überrascht, dass auch die Jahreszeit gar nicht so schlecht für diesen Besuch war. In den Wochen vor unserem Besuch gab es ja heftige Hochwasser rund um Sydney, aber davon war nichts mehr zu bemerken. Die Temperaturen lagen in Cairns bei maximal 27 Grad, in Brisbane und Sydney dann meistens bei angenehmen 20 Grad untertags. Es hat sich wie Frühling oder Herbst in Österreich angefühlt: Untertags in der Sonne angenehm, aber sobald die Sonne untergeht, wird es noch ziemlich kalt. Die Australier haben sich über die Kälte beschwert – wenn das ein Winter sein soll, können wir nur drüber lachen. Einzig, dass die Tage recht kurz waren (ab drei am Nachmittag wurde es frischer, ab halb fünf begann es zu dämmern und um halb sechs war es schon finster), fanden wir schade – die Stadt bietet sich an, am Abend draussen am Wasser zu sitzen und das Leben zu genießen. Aber in Summe war es viel besser, als wir es erwartet hätten.
Und weil wir zum ersten Mal in Australien, ein paar Dinge waren schon gewöhnungsbedürftig.
Das fängt mal ganz klar mit den Fußgänger-Ampeln an, die eigentlich überall für Fußgänger Druckknopfampeln waren. Sprich damit die Ampel für dich Fußgänger auf grün schaltet, musst du vorher (und rechtzeitig) drücken, sonst bleibt sie für dich rot – auch wenn der Verkehr neben dir grün hat. Ich kam nicht auf den Sinn dieser Funktionalität und es konnte mir auch niemand erklären. Das führt nämlich dazu, dass man zu Ampeln gerade etwas zu spät kommt, also der Straßenverkehr schon grün bekommt, aber die Fußgängerampel nicht mehr auf grün schaltet. Dann steht man da eine Ampelphase und schaut dem restlichen Verkehr beim Fließen zu. Welchen Sinn das auch immer hat, ich wäre dankbar, wenn mir das jemand erklären könnte. ChatGPT meint, dass der Verkehrsfluss dadurch flüssiger wird - was ich für Unsinn halte, selbst bei einer Einbahn, wo ich niemanden aufhalte als Fußgänger, gibt es diese Knöpfe. Für mich war es einfach ein gewöhnungsbedürftiger Unsinn – noch dazu, wo Australier auch sehr entspannt an der Ampel warten, selbst wenn sie gefahrlos (bei rot) gehen könnten.
Dann das Bezahlen. Das begann in Fidschi und wir sind durch Fidschi und Australien praktisch ohne Bargeld gereist, weil man überall mit Kreditkarte bezahlen kann. Was hier aber nahezu überall üblich ist, obwohl alles mit Karte bezahlt wird: Zuschläge von 0.5% bis 2% bei Kartenzahlung. Das geht sogar so weit, dass du am Kartendisplay nur den „normalen“ Betrag siehst und der Zuschlag dann aber einfach zusätzlich draufgeschlagen wird. In der Gastro werden übrigens 15% Zuschlag an Sonn- und Feiertagen drauf geschlagen – sprich da kostet das Essen und Trinken um 15% mehr als unter der Woche und in der Karte angeführt. Man hat das immer mit „for the employees“ argumentiert – ich weiß nicht, was ich davon halten soll.
Und dann zuletzt die Gastro an sich, das fällt mir auf der Reise immer mehr auf: Ich vermisse die österreichische Gastlichkeit. Da ist es gar nicht das bekannte „ihr habt fertig gegessen, wenn ihr nichts mehr wollt, hier ist die Rechnung und bitte geht“ aus den USA, sondern ich fand auch Astralien da recht „kalt“ für mein Empfinden. In der Mehrzahl der Lokale gab es keinen Kellner in unserem Sinne, sondern nur mehr Person, die dir das Essen und Trinken bringen. Bestellt wird entweder über Apps oder direkt am Tresen und wenn man über die App bezahlt, dann wird die gesamte Kundeninteraktion über die App abgewickelt, da man beim Bestellen auch gleich direkt mit Karte zahlen muss. Das hatte schon auch positive Aspekte, da das manchmal mühsame „Zahlen bitte!“ gleich erledigt wird.
Aber wo ich es wirklich ungemütlich fand, bei der Bestellung an der Theke kennen sie dann keine Ausnahmen – weil das dann einfach nicht ins System passt. Will man also während des Essens ein „neues“ Getränk, heißt es aufstehen, sich anstellen, bestellen und bezahlen – während dein Essen am Tisch auf dich wartet. Ungemütlicher geht es nicht mehr.
Und auch das mit der App hat manchmal seine Tücken, denn meistens bezahlt man einen Zuschlag für die Nutzung der App – wir reden da von Beträgen zwischen ein paar Cent und vielleicht zwei Euro, aber nervig ist es schon, dass ich nur so bestellen kann und dann auch noch etwas extra dafür bezahlen muss.
Wie auch immer, ich finde es immer spannend, sowas zu erleben, weil Österreich für mich ja eines der Veränderungs-resistentesten Länder überhaupt ist. Gebühren für eine Bankomat-Abhebung – selbst wenn es die fünfte des Monats bei einer Bank ist, bei der man sein Konto eben nicht hat, da laufen die Konsumentenschützer mal richtig warm. Oder die Öffnung von Geschäften an Sonntagen anzudenken – Gott sei bei uns.
Vieles empfand ich in den moderneren Ländern wie Australien oder den USA auch wirklich unsinnig und bin froh, dass wir nicht jeden Schmarrn mitmachen. Manches empfand ich aber schon als ganz praktisch (vieles ist automatisiert) oder zumindest nachvollziehbar (Zuschläge in der Gastro) und da finde ich schade, dass wir gerne gleich mal dagegen sind, nur weil es eine Änderung wäre.
Aber in Summe freu ich mich sehr auf die richtigen Wirte, die dir ein herzliches „Ans mogst schon no, oder?“ zurufen, wenn dein Bierkrügerl leer und traurig vor dir steht. Auch wenn die Apps schon die Funktion „Another round?“ hatten - da kann nichts mit einem herzlichen Wirt’n mithalten.