Ein wenig fordernd war die Abreise aus Nicaragua. Unsere gewünschte Route mit einer Bootsfahrt um Honduras herum durch den Golf von Fonseca war an diesem Tag nicht verfügbar und so nahmen wir die durchgängige Busroute über Honduras. Leider hatte diese die Abfahrt um 02:45 in León und unsere Vulkan-Rodel-Partie war am Abend davor. Bei der Heimfahrt wurde im Chicken Bus schon so richtig Party gemacht und heftigst getrunken, sodass wir erst gegen Mitternacht im Bett waren - um keine drei Stunden später - klarerweise noch immer “leicht” betrunken - auf der Bundesstraße auf den Bus (aus Managua kommend) zu warten.
Ich jammere ja immer wieder gerne über die Busfahrten, aber langsam resigniere ich einfach. Die Strecke ist etwa 450km lang, aber man muss von Nicaragua nach Honduras und dann weiter nach El Salvador - und Grenzübertritte kosten hier vor allem eines: Viel Zeit. Die Gebäude für Aus- und Einreise sind jeweils getrennt und die Formalitäten erfolgen in den Gebäuden. Also hin zur Grenze, aus dem Bus raus, Gepäck mitnehmen, Ausreise aus Nicaragua, Gepäck wird gescannt und alles wieder rein in den Bus, bis zum nächsten Gebäude fahren, raus aus dem Bus, Einreise nach Honduras, wieder rein in den Bus. Und überall anstellen und ein paar Dollar bezahlen - ich frag schon gar nicht mehr warum man irgendwas bezahlt, denn überall gibt es Gebühren, Steuern und was auch immer - ich kann sowieso nichts dagegen machen.
Aber wie gesagt, kein Gejammer, ich hab mich da immer wieder in den Bus gesetzt und halt einfach weitergeschlafen, dann irgendwo auf der Strecke irgendwas von Straßenhändlern zum Essen gekauft und nach 14h Reisezeit waren wir schließlich in San Salvador, der Hauptstadt von El Salvador.
Und damit in El Salvador mit seinem (Eigenbezeichnung) “coolen Diktator” Bukele. Dem Land mit dem Riesengefängnis (Platz für 40.000 Insassen), das den USA angeboten hat, Häftlinge gegen Bezahlung unterzubringen. Dem Land, das vor 5 Jahren bei so einer Reise noch ein “Fly over” Land gewesen wäre aufgrund der unglaublichen Kriminalität. Und, öhm ja, bei unserer Reiseplanung lief es noch unter “zu gefährlich” - da haben wir uns zu wenig damit beschäftigt und gewisse Vorurteile bleiben halt im Kopf.
Zurück zum Land und da muss ich jetzt ein wenig ausholen. “Entdeckt” von den Europäern 1522, wurde El Salvador 1821 unabhängig, blieb ein armes Land mit den üblichen Vorgängen: Korruption, Militärputsch, Aufstände, enorme Ungleichheit zwischen Arm und Reich.
1979 wurde es dann außergewöhnlicher in einem negativen Sinn. Die USA unter Carter befürworteten einen Regime-Wechsel und eine Militärjunta kam an die Macht. Die Konflikte mit der Opposition nahmen zu und als 1980 der Erzbischof Romero getötet wurde, explodierte die Situation. Das Militär, unterstützt von den USA, regierte mit unglaublicher Härte gegen die kommunistische Opposition (unterstützt von den kommunistischen Ländern) - der Bürgerkrieg von 1980 bis 1991 forderte unglaubliche 75.000 Todesopfer, wobei die überwiegende Zahl an Todesopfern von der brutalen Militärjunta verursacht wurde.
In San Salvador erinnert ein unglaubliches Denkmal an 30.000 namentlich bekannte Opfer dieses Bürgerkrieges.
Dieses Denkmal ist im Parque Cuscatlán, nicht weit von der Altstadt. Dieser Park war bis vor wenigen Jahren eine No-Go-Area, in den Händen von Banden. So sieht es heute aus.
Denn nach Ende des Bürgerkriegs waren unzählige Waffen im Umlauf, viele Militärs wurden arbeitslos und hinzu kam noch der US-Präsident Bill Clinton, der 1994 eine harte Hand gegen Einwanderer aus El Salvador walten ließ, wodurch Tausende (die auch in den USA in Banden organisiert waren) zurück nach El Salvador kamen. Die Regierung vor Ort war überfordert, ließ die Kriminellen gewähren und El Salvador wurde zu einem der gefährlichsten Staaten in Lateinamerika.
Und da kommen wir wieder zu Bukele, der vor seiner Präsidentschaft Bürgermeister von San Salvador war und hier “aufgeräumt” hat. Der Guide bei unserer Stadttour war ein glühender Anhänger von ihm, aber wir haben wirklich niemanden getroffen, der das Vorgehen von Bukele auch nur im geringsten kritisch gesehen hat. Und man muss sagen: Man merkt, dass hier lange Zeit nicht so viele Touristen waren, denn absolut jeder will mit einem reden. “Hablas Espanol?” Und schon geht es los und sie sind nicht mehr zu stoppen. Und wir fragen da nicht irgendwie danach, viele erzählen von sich aus, wie Bukele mit den ganzen Kriminellen aufgeräumt hat.
Und man spürt, welche Belastung diese Bandenkriege waren, ich hab das Gefühl, dass alle irgendwie stolz und erleichtert sind, dass es jetzt sicher ist. Rein die Zahlen, El Salvador hat 6.5 Millionen Einwohner, ist also um einiges kleiner als Österreich, und im Jahr 2016 wurden hier über 5.600 Morde gezählt. Zum Vergleich: In Österreich gab es 2016 ganze 49 Morde. Ein kleineres Land und hat mehr als 100x so viele Morde wie Österreich.
Bukele griff hier ein ohne sich um Menschenrechte zu scheren. Er erklärte den Ausnahmezustand, der Verhaftungen ohne Haftbefehl ermöglichte. Ganze Viertel wurden abgeriegelt und Razzien unterzogen. Eine Tauchlehrerin erzählte, dass die Banden mit wahllosen Morden drohten, wenn Bukele seine harte Haltung nicht aufgebe. Er reagierte mit der Drohung, inhaftierte Bandenmitglieder bei Wasser und Brot im Gefängnis fast verhungern zu lassen. Und er hat sich durchgesetzt.
Was soll ich sagen, ich befürworte es nicht, die Menschenrecht mit den Füßen zu treten, aber ich verstehe auch, welche Belastung es für ein Land ist, wenn der Staat sich nicht mehr durchsetzen kann. Und hier hat es geklappt, im Jahr 2023 wurden nur mehr 154 Morde gezählt und heute ist El Salvador das sicherste Land Lateinamerikas - wobei aber 1.2% der Bevölkerung im Gefängnis sitzen. Ich gebe es offen zu, ich war vor der Reise ablehnender gegenüber so einem Vorgehen. Man übersieht nämlich oft, welche Belastung das für die “normalen” Menschen ist, wenn Banden regieren.
Es ringt mir schon einen gewissen Respekt ab, ich wusste nicht viel über die Länder in Zentralamerika und zumindest die Hauptstadt San Salvador wirkt sehr aufgeräumt, sauber und sicher. Wir waren immer wieder nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs, es gibt zwar Militär/Polizei auf den Straßen, aber sicher nicht in einem auffallend hohen Ausmaß. Die Altstadt von San Salvador ist ein Prunkstück mit dem restaurierten Nationalpalast, gratis WLAN und Handy-Ladestationen in den Parkanlagen davor.







Bukele ist irgendwie kein typisch rechter Rabauke (dass es kein einfaches schwarz-weiß gibt, das haben wir auf der Reise ja schon einige Male erlebt), denn in der Innenstadt sind überall neue Radwege angelegt (lustig ist eher, dass es hier kaum Radfahrer gibt), eine neue Bibliothek wurde (mit chinesischer Hilfe) erbaut, in der Kinder am Computer spielen dürfen, wenn sie zuvor in einem Buch gelesen und Fragen dazu beantworten können. Jedes Schulkind soll mit einem Notebook ausgestattet werden, die Gesundheitsvorsorge wurde verbessert und ist frei, selbst die medizinische Versorgung für Haustiere ist (nahezu) gratis.





Ich gebe hier viel wieder, was uns erzählt wurde und konnte nicht überall den Wahrheitsgehalt prüfen. Manches klang für mich viel zu sehr nach populistischer Propaganda und ich habe ernste Zweifel, ob und wie das alles nachhaltig finanzierbar ist. Aber gewisse Dinge kann man nicht von der Hand wischen, es wird an jeder Ecke gebaut, es ist sauberer als in vielen anderen Städten, die Altstadt ist ein wahres Schmuckstück und man sieht kaum jemanden auf der Straße herumlungern.
Bei der letzten Wahl 2024 erhielt Bukele 84% der Stimmen, wobei aber Beobachter Unregelmäßigkeiten festgestellt haben.
Jedenfalls erscheint die Stadt ganz anders als erwartet. Während Steffi in einem Vulkankrater tauchen war, habe ich wieder einmal ein Kulturprogramm gehabt und das durchaus angesehene Kunstmuseum besucht. Ein sehr schönes Haus und für mich schon allein deswegen ein Highlight, weil man mich mit einem Händeschütteln begrüßt und sich bedankt hat, dass ich das Museum besuche. Also mit so viel Anerkennung hätte ich sogar ein viel schlechteres Museum gut gefunden.



Wie könnte es anders sein in Zentralamerika, einen Haus-Vulkan gibt es hier natürlich auch. Man kommt von San Salvador ganz bequem mit einem UBER hin…





…aber das Wetter war eher nicht so berauschend und drum war wenig los. Was die Frage aufwarf: Wie kommen wir da wieder runter? Und dann kam ein gratis Bus, der den Berg auf und ab fährt - wobei “Bus”, das war eher ein Transporter.
So kamen wir auch zu unserem letzten Ziel in San Salvador, der Regenbogen Rutsche. Ein herrlich sinnloser Spaß.
Damit gingen unsere Tage in San Salvador zu Ende und wir müssen zugeben: Auch hier hat es uns gefangen. Für uns bisher wohl DER Geheimtipp von Ländern, die man nicht mit Tourismus aus Europa in Verbindung bringen würde. Aber San Salvador ist eine schöne Stadt, hat sich sicher angefühlt, die Preise sind vergleichsweise niedrig und man hat schon einen gewissen “Exotik-Faktor” - nur 20% der Touristen kommen nicht aus den Nachbarländern oder den USA.